Kichererbsen in der Schweiz

Kichererbsen rücken zunehmend als potenzielle Kultur für klimaangepasste Fruchtfolgen in den Fokus.
In der Schweiz befindet sich ihr Anbau noch im Aufbau: Erste Praxis- und Versuchssysteme liefern Hinweise auf agronomische Chancen, zugleich aber auch auf deutliche Wetter- und Standortab- hängigkeiten. Parallel wächst das Interesse an regional erzeugten pflanzlichen Proteinen, was neue Impulse für die Weiterentwicklung dieser Kultur innerhalb der Schweizer Agrar- und Ernährungssysteme setzt.

Kichererbsen in der Proteinwende

Die Notwendigkeit einer Proteinwende ergibt sich aus einer Reihe ökologischer, gesundheitlicher und agrarischer Entwicklungen, die das bestehende Ernährungssystem zunehmend unter Druck setzen. Klimawandel, Biodiversitätsverlust und ausgelaugte Böden gehören zu den zentralen Belastungsfaktoren moderner Landwirtschaft, während ernährungsbedingte Krankheiten in der Bevölkerung weiterhin zunehmen. Die Schweizer Ernährungsstrategie 2025–2032 betont deshalb die Bedeutung einer stärker pflanzenbasierten und ressourcenschonenden Ernährung, um sowohl Umwelt- als auch Gesundheitsziele zu erreichen 1. Gleichzeitig zeigen aktuelle Erhebungen, dass die Bevölkerung in der Schweiz deutlich mehr Protein konsumiert, als physiologisch notwendig wäre. Männer nehmen durchschnittlich 1,23 g/kg Körpergewicht zu sich, Frauen 1,10 g/kg, während der tatsächliche Bedarf laut internationalen Referenzwerten bei rund 0,8 g/kg liegt Eine „Proteinlücke" besteht damit nicht; vielmehr handelt es sich um eine systemische Überversorgung. Diese führt nicht nur zu potenziell erhöhten Gesundheitsrisiken, sondern erschwert auch die ökologische Transformation, da die Nachfrage nach tierischen Proteinen strukturell hoch bleibt 2.

Hinzu kommt, dass rund zwei Drittel der aufgenommenen Proteine aus tierischen Quellen stammen, wie die Schweizer Nahrungsmittelbilanz zeigt 3. Dies ist mit hohen Emissionen, einem großen Flächenbedarf und importabhängigen Futtermittelketten verbunden. Die wissenschaftliche Literatur weist zudem darauf hin, dass technologische Innovationen wie hochverarbeitete Fleischalternativen alleine kaum geeignet sind, diese strukturellen Probleme zu lösen. Oft führt eine reine Substitution ohne Reduktion der Gesamtmenge zu Rebound-Effekten 4. Vor diesem Hintergrund rücken Leguminosen als agrarökologisch wertvolle Proteinquellen verstärkt in den Fokus. Sie fixieren Stickstoff, fördern Bodenfruchtbarkeit und Bodenleben, benötigen kaum externe Düngung und weisen eine vergleichsweise geringe Umweltbelastung auf 5. Eine moderate Reduktion der gesamten Proteinaufnahme eröffnet zudem die Möglichkeit, einen größeren Anteil des Bedarfs zunehmend regional zu decken. Dies macht besonders jene Kulturen attraktiv, die sich bereits erfolgreich an hiesige Klimabedingungen anpassen lassen. Die Kichererbse zählt zu diesen Kulturen, denn ihre Trockenheitsresistenz, ihr hoher Nährstoffgehalt und ihre gute Kompatibilität mit agrarökologischen Anbausystemen unterstreichen ihr Potenzial für nachhaltige Wertschöpfungsketten 6.

Eine Proteinwende bedarf keiner Ausweitung der Proteinproduktion, sondern eine qualitative Neuausrichtung: weniger Gesamtprotein, ein höherer Anteil pflanzlicher Proteinträger, mehr regionale Kreisläufe und eine Landwirtschaft, die ökologische und gesundheitliche Ziele in Einklang bringt. Diese Arbeit verfolgt das Ziel, bestehende Strukturen der Schweizer Kichererbsenproduktion sichtbar zu machen, ihr agrarökologisches Potenzial zu analysieren und Impulse für notwendige Transformationsprozesse im Ernährungssystem zu geben. 7

  1. BLV (2023)
  2. Kopf-Bolanz & Waltherv (2021)
  3. BLW (2023)
  4. Jaisli (2025)
  5. Jungbluth et al. (2016); FiBL (2025)
  6. FiBL (2022)
  7. Hausarbeit Projektmodul OLE HNEE (2025)
Proteine

Anbau & Praxis

Kichererbsen gelten als wärmeliebende und trockenheitstolerante Kultur, die in Jahren mit hohen Temperaturen gute Erträge liefert. In FiBL- und Agroscope-Versuchen lagen die Erträge je nach Standort und Witterung bei bis zu 2 t/ha 1. Besonders erfolgreich sind Betriebe mit leichten, gut drainierten Böden und geringen Niederschlägen während der Reifephase. Die Aussaat erfolgt praxisüblich Anfang April bis Mitte Mai mit etwa 50–60 keimfähigen Körnern je Quadratmeter bei einer Saattiefe von rund 5 cm und einem Reihenabstand von 30–50 cm. Nach Angaben der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft kann ein erstes Striegeln ab dem 2.–3.-Blattstadium erfolgen; im weiteren Entwicklungsverlauf ist Hacken bis zum Reihenschluss möglich 2.

Kichererbsen benötigen keine bis kaum Stickstoffdüngung, da sie in Symbiose mit Rhizobien atmosphärischen Stickstoff fixieren. Dafür sind gut belüftete, neutrale Böden vorteilhaft. Staunässe, verdichtete Böden und kühle Frühjahre können zu Auflaufproblemen oder Ascochyta-Befall (Kichererbsenblattdürre) führen3. Die Ernte erfolgt bei etwa 90 % abgereiften Pflanzen und einer Kornfeuchte von rund 16 %4. Das Erntegut sollte sofort gereinigt und getrocknet werden, um Schimmelbildung zu vermeiden. In der Praxis bewährten sich Heisslufttrocknung und Belüftungssysteme, bevor eine Reinigung und Sortierung erfolgt, die hohe technische Anforderungen stellt und bislang nur in wenigen Anlagen – etwa bei der Eichmühle AG – möglich ist 5.

Der Anbau wird derzeit in Versuchen beim FiBL, Agroscope, Strickhof und engagierten Praxisbetrieben weiterentwickelt. Abnehmer wie Biofarm und Fabas AG unterstützen die Etablierung einer inländischen Wertschöpfungskette, während Forschungsprojekte an der Optimierung von Sortenwahl, Anbauverfahren und Vermarktungswegen arbeiten 6.

  1. Der Schweizer Bauer (2024)
  2. LfL (2024)
  3. Hausarbeit Projektmodul OLE HNEE (2025)
  4. LeguNet (2025)
  5. Agripedia (2025); Hausarbeit Projektmodul OLE HNEE (2025)
  6. FiBL (2022); Strickhof (2025); Agroscope (2025)

Standort & Klima

Kichererbsen gedeihen am besten auf warmen, durchlässigen Böden mit neutralem bis leicht alkalischem pH-Wert. Besonders geeignet sind Kies- und Sandböden im Schweizer Mittelland und im Zürcher Weinland, wo in Praxisversuchen stabile Bestände erzielt wurden. Staunässe und verdichtete Böden sollten vermieden werden, da sie das Risiko von Wurzelfäule und Ascochyta erhöhen. Praxiserfahrungen zeigen, dass in nassen Jahren geringere Erträge auftreten können, während sich die Bestände in trockenen Vegetationsperioden meist robust entwickeln.

Saat & Bestandesführung

Die Aussaat erfolgt üblicherweise Anfang April, sobald der Boden ausreichend abgetrocknet ist und sich auf über 10 °C erwärmt hat. In der Praxis werden etwa 50–60 keimfähige Körner pro Quadratmeter mit einer Saattiefe von rund 5 cm und einem Reihenabstand von 30–50 cm empfohlen. Nach dem Auflaufen reagiert die Kultur sensibel auf Konkurrenz durch Beikräuter; ein erstes Striegeln kann ab dem 2.–3. Blattstadium erfolgen, gefolgt von Hackmaßnahmen im weiteren Entwicklungsverlauf. Eine zusätzliche Stickstoffdüngung ist in der Regel nicht erforderlich, da die Kichererbse über Symbiosen mit Knöllchenbakterien atmosphärischen Stickstoff bindet.

Sorten

In der Schweiz werden vor allem Kabuli-Typen geprüft und angebaut, die sich aufgrund ihrer großen, hellen Samen für die Verarbeitung zu Hummus oder Falafel eignen. In Strickhof- und FiBL-Versuchen wurden unter anderem die Sorten Flamenco, Elmo und Olga eingesetzt, die sich als praxisgeeignete Optionen für den Schweizer Anbau erwiesen haben. In deutschen Versuchen zeigte zudem die Sorte Orion gute Erträge, weshalb sie evtl. auch als Sorte in Betracht gezogen werden kann.

Ernte & Aufbereitung

Die Kichererbse erreicht ihre Erntereife nach etwa 100–130 Tagen, wenn der Bestand überwiegend gelb und trocken ist. Geerntet wird üblicherweise bei einer Kornfeuchte von rund 15–16 %, anschließend erfolgt eine Reinigung und Trocknung, um Schimmelbildung zu vermeiden. Da die Körner beim Dreschen leicht platzen können, ist eine schonende Behandlung wichtig. Nach der Aufbereitung wird das Erntegut über Vermarktungsorganisationen wie Biofarm oder an Verarbeiter wie Fabas weitergegeben.

Übersicht der letzten Jahre

2017

Seit 2017 prüfen Agroscope und das FiBL in Feldversuchen Sorten und Standorte.

2020

Erste Praxisanbauten starten auf Schweizer Betrieben.

2021

Nasses Jahr – hohe Ausfälle durch Krankheitsdruck und Staunässe. Wichtige Lernphase.

2022

Gutes Kichererbsenjahr: trockener Sommer, stabile Erträge, erste Vermarktungserfolge.

2023

Netzwerk aus Praxisbetrieben, FiBL und Verarbeitern wuchs; Erfahrungen zu Saatgut, Ernte und Vermarktung wurden erstmals breit geteilt.

2024

Mischkulturen, Sortenresistenz und Verarbeitung rückten in den Fokus; Feldtage und neue Projekte stärkten Forschung und Praxisdialog.

Heute

Zusammenarbeit mit Verarbeitern und Direktvermarktern etabliert sich. Erfahrungsaustausch wächst.

Forschung & Entwicklung

Der Kichererbsenanbau in der Schweiz befindet sich noch in einer frühen Entwicklungsphase. Erste Versuche werden seit 2017 von Agroscope und dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) durchgeführt 1. Ziel dieser Untersuchungen ist es, die Eignung verschiedener Sorten unter den klimatischen und bodenkundlichen Bedingungen der Schweiz zu prüfen. Dabei stehen Parameter wie Auflauf, Bodenbedeckung, Abreife, Ertrag und Krankheitsanfälligkeit im Mittelpunkt 2. In bisherigen Praxisversuchen wurden insbesondere die Sorten Flamenco, Elmo und Olga getestet, während in deutschen Versuchen auch Orion gute Erträge erzielte 3.

Neben den agronomischen Aspekten werden auch Fragen der Saatgutverfügbarkeit und Anpassung an wechselnde Witterungsbedingungen untersucht 4. Eine eigenständige Züchtung findet in der Schweiz bislang nicht statt, doch erste Initiativen im Rahmen von Leguminosenprojekten sowie die Zusammenarbeit mit Vermarktungsorganisationen deuten darauf hin, dass mittelfristig an einer inländischen Saatgutproduktion gearbeitet wird 5.

Im Rahmen des Projekts „Bio-Körnerleguminosen für Ernährung Schweiz" führt das FiBL gemeinsam mit Coop, Hilcona und ausgewählten Praxisbetrieben mehrjährige Feldversuche durch 6. Diese konzentrieren sich auf die Verknüpfung von Anbau, Verarbeitung und Marktintegration. Themen wie Trocknung, Reinigung und Qualitätsstandards werden dabei in die Forschung einbezogen, um eine inländische Wertschöpfungskette aufzubauen 7.

Der Wissenstransfer in die Praxis erfolgt vor allem über Feldtage, Beratungsangebote und Merkblätter – insbesondere durch das Strickhof und das FiBL 8. Insgesamt steht die Forschung in der Schweiz damit an einem Punkt, an dem erste Erfahrungen gesammelt und grundlegende Erkenntnisse zum Anbau, zur Verarbeitung und zu Marktstrukturen entstehen – eine systematische Integration in agrarische Forschungs- und Förderprogramme befindet sich jedoch noch im Aufbau 9.

  1. Agroscope (2025); FiBL (2022)
  2. Reckling et al. (2025)
  3. Strickhof (2025); Reckling et al. (2025)
  4. Strickhof (2025); FiBL (2022)
  5. gzpk (2024); Bioaktuell (2024)
  6. FiBL (2022); Agripedia (2025)
  7. FiBL (2022)
  8. Strickhof (2025); FiBL (2024)
  9. Hausarbeit Projektmodul OLE HNEE (2024)

FiBL

Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) führt seit mehreren Jahren Sortenversuche mit Kichererbsen durch und begleitet Pilotbetriebe beim Anbau. In Projekten wie Bio-Körnerleguminosen für Ernährung Schweiz werden Praxisbetriebe, Verarbeiter und Züchtungsinitiativen vernetzt. Der Fokus liegt auf Saatgutqualität, Krankheitsresistenz, Ernteverfahren und der agrarökologischen Integration in Fruchtfolgen. Feldtage und Degustationen fördern den Austausch zwischen Forschung und Praxis.

Agroscope

Agroscope erforscht seit 2017 die Eignung verschiedener Kichererbsensorten unter Schweizer Bedingungen. Die Arbeiten umfassen Anbauversuche, Qualitätsanalysen und Modellierungen zur Ertragsstabilität. Dabei werden sowohl konventionelle als auch biologische Anbausysteme betrachtet. In Kooperation mit FiBL und dem Kompetenzzentrum Pflanzenbau (gzpk) trägt Agroscope wesentlich zur nationalen Leguminosenstrategie bei und liefert die wissenschaftliche Grundlage für politische Fördermaßnahmen.

Züchtung & Netzwerke

Züchtung und Praxisentwicklung verlaufen zunehmend vernetzt. Organisationen wie das gzpk, FiBL, Fabas AG und Biofarm arbeiten mit Landwirt:innen zusammen, um klimaangepasste Sorten zu identifizieren und marktfähige Anbaukonzepte zu entwickeln. Projekte wie IntercropValuES und Cropdiva kombinieren agronomische Forschung mit Wertschöpfungsanalysen. Durch diese Kooperationen entsteht ein wachsendes Netzwerk für Schweizer Eiweißpflanzen.

Praxisforschung

Die On-Farm-Forschung ist ein zentrales Element der Entwicklung. In Zusammenarbeit mit Praxisbetrieben werden Versuche direkt auf den Feldern durchgeführt, um unter realen Bedingungen zu testen, wie sich Sorten, Saatzeitpunkte und Bodenmanagement auf Ertrag und Qualität auswirken. Diese partizipative Forschung stärkt den Wissenstransfer und ermöglicht, dass neue Erkenntnisse unmittelbar in der landwirtschaftlichen Praxis umgesetzt werden.

Interaktive Karte: Forschungseinrichtungen und Praxisbetriebe im Kichererbsenanbau in der Schweiz
Die Forschung und Entwicklung rund um den Kichererbsenanbau in der Schweiz lässt sich in übergeordnete Prozesse der Transformation von Agrar- und Ernährungssystemen einordnen. Sie zielt darauf ab, neue Wissensbestände, Technologien und Kooperationsformen zu etablieren, die eine nachhaltigere Proteinversorgung aus inländischer Produktion ermöglichen. Im Sinne der Multi-Level-Perspektive nach Geels (2002) können diese Aktivitäten als Nischeninnovationen verstanden werden, die alternative Praktiken und Wertschöpfungspfade erproben. Dadurch entstehen Lern- und Experimentierfelder, in denen agronomisches Wissen, politische Förderung und gesellschaftliche Nachfrage miteinander in Beziehung treten. Die Kichererbse steht exemplarisch für den Versuch, strukturelle Abhängigkeiten von importierten Eiweißquellen zu verringern und die Resilienz des Ernährungssystems gegenüber globalen Markt- und Klimarisiken zu erhöhen.

Wertschöpfung & Markt

Findet die Verarbeitung von Kichererbsen nicht auf dem eigenen Hof statt, orientiert sie sich infrastrukturell an der Getreidekette: Nach der Ernte geht die Ware zur Sammelstelle, wird vorgereinigt und mit Heissluft auf etwa 13–13,5 % Feuchte getrocknet. Danach folgt eine Spezialreinigung/Sortierung (z. B. Farbauslese, Gewicht, Form), um nahezu 100 % reine Ware zu erhalten; hierfür braucht es spezielle Maschinen und Mindestmengen im Tonnenbereich. Erste Schweizer Betriebe (z. B. Eichmühle AG) haben in diese Technik investiert und garantieren bis 99,9 % Reinheit. Die grösste Herausforderung sind derzeit Kapazitäten und Volumina: Es gibt wenige Sammelstellen/Trockner und die Mengen sind noch klein, was Logistik und Auslastung erschwert. Produkte mit kurzer Verarbeitungstiefe (z. B. Mehl, direkt verzehrbare Produkte) sind heute am ehesten vollständig in der Schweiz abbildbar; für Proteinkonzentrate/-isolate fehlt der Prozess weitgehend. Parallel treiben Projekte (FiBL/Coop/Hilcona) den Aufbau von Rohstoffverfügbarkeit für Hummus/Falafel voran, während Praxisbetriebe wie Jucker Farm Erntegut trocknen, lagern und bedarfsweise reinigen und zu Hummus oder eingemachten Kichererbsen verarbeiten 1.

  1. Agripedia (2025)
Züchtung/Saatgutproduktion
Anbau/Ernte
Sammelstelle
Reinigung/Trocknung
Sortierung
Verarbeitung
Handel
Teller
Wertschöpfungskette Kichererbse in der Schweiz
Fabas: Mehr Schweizer Bio-Hülsenfrüchte

Agrarökologie & Nachhaltigkeit

Kichererbsen leisten einen wichtigen Beitrag zur agrarökologischen Transformation der Schweizer Landwirtschaft. Als Leguminose fixieren sie atmosphärischen Stickstoff in Symbiose mit Rhizobien und verbessern dadurch die Bodenfruchtbarkeit und Nährstoffeffizienz 1. Ihre tiefreichenden Wurzeln lockern verdichtete Böden, fördern die Infiltration und tragen zur Erosionsminderung bei. Gleichzeitig benötigt die Kultur nur geringe Düngergaben und kann im Vergleich zu stark inputorientierten Systemen den Ressourceneinsatz reduzieren 2. Damit unterstützt der Kichererbsenanbau zentrale Prinzipien der Agrarökologie, wie etwa Kreislaufwirtschaft, Ressourcenschonung und ökologische Resilienz, und stärkt den Übergang von einer inputintensiven Landwirtschaft hin zu multifunktionalen, an lokale Bedingungen angepassten Systemen 3.

In agrarökologischen Fruchtfolgen erweitern Kichererbsen das Spektrum an Körnerleguminosen und fördern die Diversifizierung der Anbausysteme. Sie ergänzen Kulturen wie Ackerbohnen, Lupinen oder Erbsen und tragen durch ihre Trockenheitsresistenz zur Stabilisierung von Erträgen in Jahren mit Hitzestress bei 4. Unter Schweizer Bedingungen zeigt sich, dass insbesondere in leichten, gut durchlüfteten Böden stabile Erträge erzielt werden können, während Staunässe und kühle Frühjahre weiterhin limitierende Faktoren darstellen 5. Durch die Integration solcher Kulturen in agrarökologische Fruchtfolgen wird nicht nur die ökologische, sondern auch die ökonomische Resilienz der Betriebe gestärkt, da zusätzliche Einkommensquellen und Märkte entstehen können.

Im Rahmen agrarökologischer Transformationsprozesse kommt der Kichererbse zudem eine strategische Rolle im Ernährungssystem zu: Sie trägt zur regionalen Proteinversorgung bei und unterstützt die Reduktion von Abhängigkeiten gegenüber importierten Eiweißfuttermitteln, insbesondere aus Übersee 6. Durch die Förderung regionaler Wertschöpfungsketten – etwa in Kooperationen zwischen Landwirtschaft, Verarbeitung und Handel – wird der Aufbau lokaler Märkte für pflanzliche Proteine vorangetrieben. Dies steht im Einklang mit den Zielen des Moduls Agroecology & Food Systems, das agrarökologische Innovationen als Hebel für systemische Nachhaltigkeitstransformationen betrachtet 7.

Auf der gesellschaftlichen Ebene verdeutlicht die Entwicklung des Kichererbsenanbaus, wie agrarökologische Ansätze zur Neuorganisation ganzer Wertschöpfungssysteme beitragen können: von der Züchtung über den Anbau bis zur Verarbeitung und Konsumtion. Durch partizipative Forschung, Wissensaustausch und institutionelle Unterstützung (z. B. durch FiBL, Strickhof oder Agroscope) entstehen Lernprozesse, die exemplarisch für den Übergang zu einer nachhaltigeren, resilienteren und regional verankerten Agrar- und Ernährungspraxis stehen 8.

  1. FiBL (2025)
  2. Klaiss (2022); FiBL (2025)
  3. Jäger (2025)
  4. Bioaktuell (2024)
  5. Strickhof (2025)
  6. Agripedia (2025); FiBL (2022)
  7. Hausarbeit Projektmodul OLE HNEE (2025); Jäger (2025)
  8. FiBL (2024); Strickhof (2025)

Stickstoff-Fixierung

Kichererbsen leben in Symbiose mit Rhizobien und können atmosphärischen Stickstoff im Boden binden. Dadurch sinkt der Bedarf an mineralischer Düngung, während die Bodenfruchtbarkeit für nachfolgende Kulturen steigt. In Schweizer Anbauversuchen wurde bestätigt, dass Kichererbsen ohne zusätzliche N-Düngung auskommen und dennoch stabile Erträge liefern. Sie tragen somit zur Kreislaufwirtschaft im Pflanzenbau und zu einer verbesserten Stickstoffeffizienz im Agrarsystem bei.

Diversifizierung

Die Kichererbse erweitert die Fruchtfolge um eine zusätzliche Körnerleguminose und stärkt dadurch die agrarökologische Vielfalt. Durch ihre Trockenheitstoleranz und geringen Standortansprüche eignet sie sich besonders für leichte, sandige Böden, wie sie in vielen Regionen Mitteleuropas vorkommen. Projekte wie CIceRegio, KIWERTa und LeguNet zeigen, dass Kichererbsen als Nischenkultur zur Anpassung an Klimawandel und zur Stärkung regionaler Wertschöpfung beitragen können.

Ernährungssystem

Mit ihrem hohen Gehalt an pflanzlichem Eiweiß, Eisen und Ballaststoffen leisten Kichererbsen einen wichtigen Beitrag zu einer gesunden, pflanzenbasierten Ernährung. Als Leguminosen sind sie zentraler Bestandteil der Planetary Health Diet und tragen dazu bei, die Importabhängigkeit von Eiweißrohstoffen zu verringern. Als regionale Proteinquelle finden sie zunehmend Verwendung in Produkten wie Hummus, Mehl, Snacks oder Falafel und verbinden ökologische mit gesundheitlichen Vorteilen.

Klimaresilienz

Die Kichererbse gilt als Nahrungsmittel der Zukunft: Sie ist hitze- und trockenheitstolerant, benötigt wenig Wasser und trägt zur Anpassung der Landwirtschaft an zunehmende Trockenperioden bei. Ihre genetische Vielfalt bietet Potenzial für die Züchtung robuster Sorten, die auch unter wechselnden Klimabedingungen stabile Erträge liefern können. Studien zeigen, dass sie nicht nur die Ertragsstabilität, sondern auch die Ernährungssicherheit in trockenen Regionen stärkt.

The 10 Elements of Agroecology (FAO, 2018a).
Die „10 Elements of Agroecology“ bilden einen international anerkannten Orientierungsrahmen für die Transformation von Landwirtschafts- und Ernährungssystemen. Sie umfassen Diversität, Kollektives Wissen, Synergien, Effizienz, Recycling, Resilienz, Co-Kreation von Wissen, Human- und Sozialwerte, Kultur & Ernährungstraditionen sowie verantwortungsvolle Governance. Diese Elemente beschreiben Agroökologie nicht nur als agronomischen Ansatz, sondern als ganzheitliches Transformationskonzept, das ökologische Prozesse stärkt, soziale Gerechtigkeit fördert und wirtschaftliche Stabilität anstrebt. In der Praxis dienen sie dazu, lokale Wertschöpfungsketten widerstandsfähiger zu gestalten, Abhängigkeiten von externen Betriebsmitteln zu reduzieren und Ernährungssysteme stärker an regionale Gegebenheiten anzupassen. Für die Entwicklung neuer Proteinquellen – etwa heimischer Hülsenfrüchte wie der Kichererbse – bieten die FAO-Elemente einen normativen Rahmen, um agronomische Innovation mit ökologischer Integrität und sozialer Teilhabe zu verbinden.

Herausforderungen & Risiken

Der Anbau von Kichererbsen in der Schweiz ist mit spezifischen Risiken verbunden. Die Kultur gilt zwar als trockenstresstolerant, reagiert aber empfindlich auf Frost, anhaltende Niederschläge und Staunässe, was insbesondere in der Jugendentwicklung zu Bestandeslücken und stark schwankenden Erträgen führen kann 1. In nassen Jahren treten vermehrt Pilzkrankheiten wie Ascochyta-Brennfleckenkrankheit, Fusarium-Welkekrankheiten und Botrytis auf; 2021 kam es auf mehreren Betrieben in der Schweiz infolge von Ascochyta-Befall und ausbleibender Hülsenbildung sogar zu Totalausfällen 2. Unter warmen, eher trockenen Bedingungen auf leichten, gut drainierten Böden kann die Kichererbse dagegen ihre Trockenheitstoleranz ausspielen und stabile Erträge liefern 3.

Neben diesen agronomischen Risiken bestehen strukturelle Herausforderungen entlang der Wertschöpfungskette. In mehrjährigen Versuchsnetzwerken mit Standorten in Deutschland, Österreich und der Schweiz lagen die Kornerträge zwischen 0,2 und 3,5 t/ha; feuchtere Standorte erzielten tendenziell geringere Erträge als trockene 4. Sortenangebot, Saatgutqualität und Praxiswissen sind noch begrenzt, und es fehlt vielerorts an Sammelstellen, Trocknungs- und Reinigungsinfrastruktur; Beratungsunterlagen empfehlen daher, Absatzwege und Direktvermarktung vor dem Anbau zu klären 5. Gleichzeitig wächst die Nachfrage nach pflanzlichen Proteinen aus Schweizer Produktion; Akteure wie Biofarm und andere Abnehmer sehen in Kichererbsen ein interessantes Nischenprodukt, das bei gesicherter Rohstoffbasis zusätzliche Wertschöpfung ermöglichen kann 6.

  1. Strickhof (2025)
  2. Kempf, K. (2022)
  3. Der Schweizer Bauer (2024)
  4. Reckling, M. et al. (2023)
  5. Strickhof (2025)
  6. Der Schweizer Bauer (2020); Strickhof (2025)

Chancen

  • Klimaangepasste Kultur für warme, trockene Standorte
  • Beitrag zu agrarökologischen Leistungen (N-Fixierung, Fruchtfolge, Bodenschutz)
  • Neue Absatzmärkte für pflanzliche Proteine (Hummus, Falafel, Snacks)
  • Förderung regionaler Wertschöpfung und Proteinversorgung
  • Positive Ökobilanz im Vergleich zu importierten Eiweißträgern

Risiken

  • Hohe Anfälligkeit gegenüber Nässe, Staunässe und Spätfrost
  • Krankheitsdruck durch Ascochyta rabiei, Fusarium und PNYDV (je nach Standort und Jahr)
  • Ertragsvariabilität zwischen trockenen und feuchten Jahren
  • Fehlende Trocknungs-, Reinigungs- und Sortierinfrastruktur
  • Begrenzte Erfahrung in Anbau und Vermarktung
  • Abhängigkeit von kleinen Nischenmärkten und hohen Qualitätsanforderungen

Häufige Fragen

Ja, allerdings stark abhängig von Standort und Jahr. Warme, trockene Lagen bieten die besten Voraussetzungen, während in kühlen und nassen Jahren das Risiko von Ertragsausfällen deutlich steigt. Praxiserfahrungen zeigen jedoch: Mit passender Sortenwahl und geeigneten Standorten ist der Anbau in der Schweiz gut möglich.

Kabuli-Typen wie Flamenco, Orion, Elmo und Olga werden in Schweizer Versuchen geprüft. Die Sortenwahl richtet sich nach Reifezeit, Standort und Vermarktungsziel. In Deutschland, insbesondere in Brandenburg, werden daneben auch Desi-Typen getestet, die zwar gute agronomische Ergebnisse zeigen, aber aufgrund ihrer dunkleren, kleineren und unregelmäßig geformten Samen bislang weniger marktfähig sind.

Meist ist keine Stickstoffdüngung erforderlich, da Kichererbsen in Symbiose mit Rhizobium-Bakterien atmosphärischen Stickstoff fixieren. Eine geringe Startgabe (Starter-N) kann zu Beginn der Entwicklung sinnvoll sein. Phosphor und Schwefel sollten je nach Bodenvorrat beobachtet werden, um eine ausgewogene Nährstoffversorgung sicherzustellen.

Die Direktvermarktung spielt derzeit eine zentrale Rolle. Daneben entstehen Kooperationen mit ausgewählten Verarbeitern und Abnehmern wie Fabas, Biofarm, Hilcona und regionalen Mühlen. Die Vermarktungsstrukturen befinden sich jedoch noch im Aufbau, da Anbau- und Verarbeitungskapazitäten bisher begrenzt sind.

Die Erträge variieren stark: In ungünstigen Jahren kann es zu Totalausfällen kommen, während in trockenen und warmen Jahren bis zu 2,5 t/ha erzielt werden. Durchschnittlich erreichen erfolgreiche Betriebe 1 – 2 t/ha – abhängig von Standort, Jahresverlauf und Management.

Ausblick

Mit zunehmender Praxiserfahrung, weiterentwickelter Sortenwahl und dem schrittweisen Ausbau der Wertschöpfungskette kann die Kichererbse in der Schweiz mittelfristig an agronomischer und ökonomischer Relevanz gewinnen. Verschiedene Akteure tragen dazu bei, dass Wissen, Saatgut und Absatzstrukturen wachsen: Der Verein Schweizer Hülsenfrüchte stärkt die Koordination entlang der Kette und fördert die Sichtbarkeit heimischer Leguminosen; Strickhof und FiBL erweitern Beratungs- und Versuchstätigkeiten; Agroscope untersucht pflanzenbauliche Grundlagen und Krankheitsrisiken; Unternehmen wie Fabas, Biofarm oder regionale Mühlen bauen Verarbeitung und Vermarktung aus. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob sich stabile Erträge, belastbare Abnahmebeziehungen und ausreichende Infrastruktur entwickeln können. Gelingt dies, könnten Kichererbsen zu einem festen Baustein klimaangepasster Fruchtfolgen und einer stärker pflanzenbasierten Schweizer Ernährung werden.

Kichererbsenfeld im Spätsommer

Quellen

Ausgewählte Veröffentlichungen, Merkblätter und Praxisberichte.

  • Agridea / Agripedia (2023)
    Organisation der Wertschöpfungskette – Pflanzliche Proteine.
    → Zur Quelle
  • Agroscope (2025)
    Kichererbse (Cicer arietinum).
    → Zur Quelle
  • Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) (2024)
    Kichererbsen im Ökolandbau. Merkblatt zum Anbau, Sortenwahl und Praxiserfahrungen.
    → Zur Quelle
  • Claude AI (2025)
    Sonnet 4.5 - Hilfe bei Überarbeitung des Codes, der Rechtschreibung und der Textstrucktur.
    → Zur Quelle
  • Der Schweizer Bauer (2020)
    Kichererbsenanbau fasst Fuss.
    → Zur Quelle
  • Der Schweizer Bauer (2024)
    Kichererbse – Alternative bei Trockenheit.
    → Zur Quelle
  • FiBL (2022)
    Bio-Körnerleguminosen für Ernährung in der Schweiz. Projektbeschreibung / Wertschöpfungskette / Netzwerk.
    → Zur Quelle
  • FiBL (2024)
    Biokörnerleguminosen: Feldtag 2024 und aktuelle Versuchsergebnisse. Feldtag / Versuche / Praxiswissen.
    → Zur Quelle
  • FiBL (2025)
    Erbsen, Soja, Lupinen, Ackerbohnen: Hülsenfrüchte erobern Felder und Teller. Allgemeine Einordnung Hülsenfrüchte / Ernährung / Proteinwende.
    → Zur Quelle
  • gzpk (2024)
    Feldtag Körnerleguminosen 2024 (Bauernzeitung).
    → Zur Quelle
  • Hausarbeit Projektmodul OLE HNEE (2025)
    Regionale Wertschöpfungskette für Kichererbsen in Berlin-Brandenburg, HNE Eberswalde.
  • Jäger, M. (2025)
    Agrarökologische Transformationsprozesse im Ernährungssystem. Vorlesungsunterlagen, ZHAW Wädenswil.
  • Jaisli, I. (2025)
    Proteinwende: Ernährungsstrategien und pflanzliche Proteine. Vorlesungsunterlagen, ZHAW Wädenswil.
  • Jungbluth, N. et al. (2016)
    Ökobilanz pflanzlicher Proteine: Hülsenfrüchte im Vergleich.
    → Zur Quelle
  • Kempf, K. (2022)
    Die zwei mit den Kichererbsen. UFA-Revue.
    → Zur Quelle
  • Klaiss, M. (2022)
    Kichererbsen aus der Schweiz – Es geht voran. Bioaktuell Nr. 3.
    → Zur Quelle
  • Kopf-Bolanz, A. & Walther, B. (2021)
    Proteinkonsum in der Schweiz: Ernährungswissenschaftliche Bewertung. MenuCH-Studie.
    → Zur Quelle
  • Reckling, M. et al. (2025)
    Potenzial von Kichererbsen im ökologischen Landbau: Versuchsergebnisse aus DE/AT/CH.
    → Zur Quelle
  • Schweizer Bundesamt für Lebensmittelsicherheit (BLV) (2023)
    Schweizer Ernährungsstrategie 2025–2032.
    → Zur Quelle
  • Schweizer Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) (2023)
    Schweizer Nahrungsmittelbilanz 2023.
    → Zur Quelle
  • Strickhof (2025)
    Merkblatt Kichererbsen: Anbau, Sortenwahl, Witterungsrisiken und Marktentwicklung.
    → Zur Quelle

Impressum

Verantwortlich für den Inhalt: Schmitt, Julien

Kontakt: schmij33@students.zhaw.ch

Hochschule/Modul: zhaw – Agroecology and Food Systems ENR HS25

Bildrechte: Quellen an den Bildern angegeben. Alle Rechte vorbehalten.

Lizenz: © 2025 Julien Schmitt. Die Inhalte dieser Website stehen unter der Lizenz CC BY-NC-SA 4.0

Stand: 03.12.2025